MANFRED KRUG – Noch nicht ganz weg
„Krug trat in der bekannten lässigen Art auf /…/ und verteilte eine Reihe von politischen Spitzen. /…/ Insgesamt versuchte er den Eindruck zu machen, dass er ein Opfer aller möglichen Behinderungen von Seiten des Staates sei“, notierte ein Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit über das Konzert am 12.April 1977 in Wismar. Es war nicht das erste Manfred Krug-Konzert, das die Stasi bespitzelte, allerdings das letzte. Neun der insgesamt 15 geplanten Konzerte der Apriltour waren gecancelt worden, so wurde der Abend im Wismarer Theater Manfred Krugs letzter DDR-Auftritt. Der im Osten Deutschlands sehr populäre Schauspieler und Sänger hatte sich gegen die Ausbürgerung seines Kollegen Wolf Biermann stark gemacht und musste im Juni 1977 selbst das kleine Land verlassen.
Der kürzlich verstorbene Aki Lehmann, damals Techniker bei Krug und der Günther-Fischer-Band, hatte das geschichtsträchtige Konzert mit einfachen Mitteln mitgeschnitten. Die Aufnahme galt lange Zeit als verschollen oder geriet zumindest in Vergessenheit.
Nun hat sich Wolfgang „Zicke“ Schneider, einer der renommiertesten Jazzmusiker Deutschlands, den von Christoph Stickel restaurierten Livetracks angenommen und daraus das vorliegende Album produziert. Zicke war nicht nur ein jahrzehntelanger, enger Freund des im Oktober 2016 verstorbenen Künstlers. Er war auch Gründungsmitglied und Schlagzeuger der Günther-Fischer-Band, die in den Siebzigern mit Krug regelmäßig tourte und die legendären Kultalben mit ihm einspielte. Nach der Wiedervereinigung fanden der inzwischen deutschlandweit gefeierte Star und der Musiker, der schon bei Etta Cameron und Shirley Bassey am Schlagzeug saß, erneut zusammen. Bis zum Tode Krugs war Zicke sein Drummer – auf den Tourneen sowie bei den meisten Albumproduktionen. Im Booklet dieser CD erzählt der Jazzer von dieser ganz besonderen, mehrere Dekaden umfassenden Zusammenarbeit.
Der Mitschnitt vom Theater an der Ostseeküste Mecklenburg-Vorpommerns war freilich nie als Albumproduktion gedacht, die technischen Möglichkeiten entsprechen der damaligen Zeit. Doch es ist weit mehr als nur ein Tondokument, wie es auf dem Artwork heißt. Vom ersten Ton an präsentiert sich eine beseelte Band, hochmusikalisch und dennoch sehr unterhaltsam. Einmal mehr wird klar, dass Manfred Krug und die Musiker um Günther Fischer mit ihrem leichtfüßigen und dennoch leidenschaftlichen Umgang mit Swing, Bossa, Chanson und populären Jazz ein eigenes Genre geschaffen haben. Dazu diese unverwechselbar-markante Stimme mit dem faszinierenden Jazz-Feeling und der Lässigkeit im Timbre.
Obwohl der Mitschnitt 41 Jahre alt ist, verblüfft er durch seine Zeitlosigkeit. Es gibt eigene Lieder wie „Nacht. Ich träume düster“ und „Sie“ (vom Kultalbum „Du bist heute wie neu“) sowie internationale Klassiker wie „Mame“, „Alone Again“ und „Que Sera“ (von der legendären „Greens“- Platte), aber auch etliche Stücke wie „Once I Loved“ und „You Are The Sunshine Of My Life“, die bisher noch auf keinem Tonträger zu finden waren. Auch eine vom Publikum immer sehr geschätzte rezitierte Kurzgeschichte befindet sich ebenfalls auf der Aufnahme: „Whisky“ aus dem Buch „Das Tier lacht nicht“.
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Manfred Krug – „Noch nicht ganz weg“
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–Album-Veröffentlichung am 12.10.2018
MANFRED KRUG – Seine Lieder
Als 2014 Manfred Krugs Album „Auserwählt“ veröffentlicht wurde, rückte einmal mehr ins kollektive Gedächtnis, dass der populäre Schauspieler, der mit Kultstreifen wie „Spur der Steine“ sowie Serien wie „Auf Achse“, „Liebling Kreuzberg“ und „Tatort“ berühmt wurde, ein mindestens ebenso großartiger Sänger war. Seine frühen Alben aus den Siebzigern gelten als wegweisend und genießen heute allesamt Kultstatus. Aber auch „Auserwählt“ stand den alten Erfolgen in nichts nach. Das Album platzierte sich in den offiziellen Charts und wurde mit dem Jazz-Award in Gold und Platin ausgezeichnet. Alle Werke verblüffen nach wie vor durch ihre Zeitlosigkeit. Der scheuklappenfreie Umgang mit Swing, Bossa, Chanson und populären Jazz – gepaart mit Krugs unverwechselbar-markanten Stimme mit dem faszinierenden Jazzfeeling und dieser Lässigkeit im Timbre.
Dazu die gut pointierten, klugen Texte in deutscher Sprache, die aus der Feder des Meisters – teils unter dem Pseudonym Clemens Kerber – selbst stammen.
Anlässlich seines 80. Geburtstages am 8. Februar 2017 wollte der charismatische Künstler sein generationsübergreifendes Publikum mit einer ganz persönlichen Werkschau überraschen. Die Songs waren ausgewählt, die Arrangements geschrieben, das Filmorchester Babelsberg verpflichtet – doch Manfred Krug starb überraschend am 21.Oktober 2016. Aber längst steckte in diesem von Lutz Krajenski (u.a. Roger Cicero, Jasmin Tabatabai) arrangierten und produzierten Projekt so viel Herzblut aller Beteiligten und der Ikone selbst, dass es fatal gewesen wäre, Krugs ambitionierte Arbeit nicht fortzuführen. So entschlossen sich populäre Schauspieler und Sänger, das Album fertigzustellen, auf die für Manfred Krug erstellten Playbacks zu singen – als Verneigung vor ihrem Freund und Kollegen. Axel Prahl, Ulrich Tukur, Joy Fleming, Stefan Gwildis, Bill Ramsey und die Prinzen sind u.a. dabei. Aber auch Charles Brauer, mit dem Manfred Krug von 1986 bis 2001 „Tatort“ spielte, Uschi Brüning, mit der er schon in den frühen Siebzigern tourte und Duette sang, sowie seine Tochter Fanny Krug würdigen ihren Freund und Vater.
Die krugsche Songauswahl reicht von „Ich weiß ein Mädchen“, der B-Seite seiner zweiten Single aus dem Jahr 1964 – hier von den Prinzen gesungen – über die Highlights seiner Kultalben „Das war nur ein Moment“, „Ein Hauch von Frühling“, „Greens“ und „Du bist heute wie neu“ bis zu Stücken von „Da bist du ja“, seinem ersten nach dem Weggang aus der DDR veröffentlichten Album, und „Schlafstörung“, seinem Werk aus den Nullerjahren. Zweifelsohne gleicht das Tracklisting einem Best Of, nichts fehlt: „Sonntag“ (Jan Josef Liefers), „Früh war der Tag erwacht“ (Heinz Rudolf Kunze mit Joo Kraus), „Du bist heute wie neu“ (Joy Fleming & Juliano Rossi), „Das Lied mit einem Ton“ (Charles Brauer & Bill Ramsey), „Wann, sag wann“ (Axel Prahl), „Lass mich nicht gehen“ (Ulrich Tukur), „Das geht mir ans Herz“ (Stefan Gwildis). Letztgenanntes Stück in der Instrumentalversion ist die Filmmusik der am 5. Februar 2017 ausgestrahlten MDR-Reportage „Legenden: Ein Abend für Manfred Krug“. Die Doku streift Lebensstationen des Stars, zeigt aber ebenso Bilder der Albumproduktion. Das ergreifende, vom Filmorchester opulent gespielte Instrumental ist auf „Seine Lieder“ als Bonustrack zu finden.
Das Manfred Krug-Special im SCHALL Magazin (Ausgabe Januar 2017)
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Manfred Krug – „Seine Lieder“
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