DE-PHAZZ & PIT BAUMGARTNER
Über die Bedeutung von De-Phazz für die gehobene elektronische Unterhaltungsmusik seit der Jahrtausendwende zu schreiben, hieße Surfboards nach Kalifornien zu tragen. Schließlich kennt jeder, der seit 1997 einmal einen Cocktail in einer Lounge in Berlin, Miami oder auf Ibiza in der Hand gehalten hat, die Band aus Heidelberg – sei es aufgrund von Hits wie „The Mambo Craze“ oder „No Jive“ (inzwischen über 11 Millionen Mal auf Spotify abgespielt), sei es aus Film, Werbung und Fernsehen oder wegen eines der unzähligen Konzerte, die die Formation im vergangenen Vierteljahrhundert weltweit gegeben hat.
Weniger bekannt ist hingegen, wer als hauptverantwortlicher Konzeptualist hinter Deutschlands wichtigstem elektro-organischem Musikexportgut steckt. Das dürfte sich nun ändern. Denn mit „Pit Sounds“ legt Pit Baumgartner, der begnadete Collagenkünstler, Sample-Jongleur und Klangkonstrukteur von De-Phazz, nun sein Opus Magnum vor. Auch wenn es natürlich Ausdruck purer Selbstironie ist, hält das Album den augenzwinkernden Vergleich mit dem Beach Boys-Klassiker „Pet Sounds“ sehr wohl stand. Denn auf seine ganz eigene Weise ist „Pit Sounds“ ebenfalls ein Meisterwerk, und zwar in seiner ursprünglichen Bedeutung – als bis zur Perfektion getriebene Handwerkskunst. „Es gibt da diesen Spruch von Matthew Herbert, der sagt, dass er jeden Ton auf seinem Album selbst gemacht habe“, zitiert Baumgartner einen berühmten britischen Produzentenkollegen, „bei mir gilt hingegen: Kein Ton stammt von mir!“ Damit umschreibt Peter mit den Scherenhänden, wie sich Mr. De-Phazz in der Schwarzweiß-Fotocollage auf der Plattenrückseite von „Pit Sounds“ präsentiert, ziemlich gut seine Arbeitsweise. Wie ein Bergmann begibt sich Baumgartner in das riesige Stollensystem seiner schier unendlichen Soundsammlung aus altem Soul, Wirtschaftswunderklängen und obskuren Song-Fundstücken aus aller Welt und schürft nach akustischem Edelmetall. Wenn er ein Goldstück gefunden hat, bricht er es vorsichtig aus seinem ursprünglichen Kontext heraus, fräst, hämmert, wendet und poliert es so lange, bis er es schließlich mit einem hintersinnigem Lächeln in einen unerwarteten neuen Kontext bringt. „Ich kann am besten Dinge zusammenpacken, die nicht zusammengehören. Und das mit viel Freude, manchmal gelungen, manchmal total daneben“, gibt der gelernte Mechaniker und ausgewiesene Dadaismus-Befürworter zu Protokoll.
„Pit Sounds“ ist dementsprechend voller skurriler klanglicher Zufallsbekanntschaften, die sich dann aber als aufrichtige Liebesgeschichten mit jeder Menge abseitigem Humor entpuppen. Da treffen traute 60er-Jahre-Chöre auf classy Jazzgitarrenlicks, sirupdicke Retro-Streicher à la Bert Kaempfert, singende Cowboys, lateinamerikanische Standardtänze, multilinguale Sprachschnipsel und sogar auf Fußballtröten. Und doch klingt es so, als hätte das alles immer schon eine selbstverständliche Einheit gebildet. Nachhaltiger geht es kaum: Baumgartner verhilft abgetragenen oder achtlos weggeworfenen Tönen zu einem neuen Leben und betreibt damit gewissermaßen Upcycling für die Ohren. Wobei sich beim Hören ein Gefühl von Tiefenentspanntheit einstellt, das an Harald Juhnkes berühmte Definition von Glück erinnert: „Keine Termine und leicht einen sitzen.“
Wenn man so will, verbirgt sich hinter „Pit Sounds“, das punktuell auch auf leibhaftig im Studio anwesende Musizierende wie den Trompeter Joo Kraus oder die Sopranistin Constanze Backes setzt, so etwas wie eine klingende Biografie Baumgartners. Solche Musik kann nämlich nur von jemandem stammen, der sich auf einigermaßen unorthodoxe Weise seinen Weg ins Popgeschäft bahnte: Einer, der in Heidelberg dank der anwesenden GIs schon früh ein Faible für undeutsch funkige Grooves entwickelte, mal als Clown und als DJ arbeitete, Hörspiele für Ikea oder „Die Sendung mit der Maus“ fabrizierte und sich auch in seiner Tätigkeit als Remixer für Kool & the Gang, Kurtis Blow oder Ennio Morricone stets sein inneres „Purzelbaumkind“, wie er es nennt, bewahrt hat.
Dass „Pit Sounds“ mit einer wahnwitzig umgearbeiteten Version eines Stücks des klassischen Komponisten John Dowland endet, passt übrigens perfekt. Wie das Album zeigt, muss man den genialischen Schneidermeister Pit Baumgartner mittlerweile selbst als Klassiker bezeichnen.
To write about the importance of De-Phazz for sophisticated electronic music since the turn of the millennium would be comparable to carrying surfboards into California; seeing as everybody who has had a cocktail in a lounge in Berlin, Miami, or Ibiza since the year 1997 is familiar with this band from Heidelberg – be it for hits such as `The Mambo Craze` or `No Jive` (with over 11 million streams on Spotify thus far), for movies, advertisements and television, or countless concerts that the band has played worldwide in the past quarter of a century.
Lesser known is, however, who the conceptual mastermind behind Germanies most important organic electronic music export is. This is most likely to change soon, because De-Phazz` gifted collage artist, sample juggler and sound designer is presenting his magnum opus with `Pit Sounds`. Even though the title is, of course, meant as an expression of pure self-irony, the album does stand up to the cheeky reference to the Beach Boys classic `Pet Sounds`. In its very own unique way, `Pit Sounds` is a masterpiece in the truest sense of the word-craftmanship developed to the highest form of perfection. `There is this well-known sentence by Matthew Herbert saying that he created every single note on his album`, Baumgartner quotes a famous British colleague in production, `whereas I say: Not a single note is created by me!` A clear description of Peter Scissorhands`, as he presents himself in a black and white photo collage on the back of the album `Pit Sounds`, process. Like a miner, Baumgartner makes his way through the complex tunnel system of his seemingly endless collection of sounds from old soul, explanations of the economic miracle of the 50’s and obscure song material from all over the world searching for precious metals. After striking gold, he carefully removes it from its previous context, mills, forges, turns and polishes it until he has placed it in a completely unexpected new context with a cryptic smile. `I am best at putting things together that don`t belong together. And I do this joyously, sometimes it works, sometimes it goes spectacularly wrong` the trained mechanic and proven advocate of Dadaism states.
In accordance, `Pit Sounds` is filled with quirky acquaintances of chance, which then turn out to be sincere love stories with an abundance of devious humour. Homely 60s choirs meet classy jazz guitar licks, syrupy retro strings à la Bert Kaempfert, singing cowboys, Latin American standard dances, multilingual language snippets and even football horns. And yet it sounds as though the elements were always meant to be together in effortless unity. The process couldn`t be more sustainable: Baumgartner breathes new life into worn and carelessly discarded notes, upcycling for the ears, as it were. While listening, a deep feeling of relaxation settles in, a feeling reminiscent of Harald Juhnke’s famous definition of happiness: `A clear schedule while being slightly tipsy.`
One could say that `Pit Sounds`, which also features musicians who were physically present in the studio such as trumpeter Joo Kraus and soprano Constanze Backes, is somewhat of a sonorous biography Baumgartner`s. This kind of music can only be made by someone who followed somewhat of an unorthodox path into the business of pop music: A person who, thanks to the GIs stationed in Heidelberg, developed a taste for very `ungerman` funky grooves very early in life, who worked as a clown as well as a DJ, created audio plays for Ikea or `Die Sendung mit der Maus` (a popular TV-show for children in Germany) and always kept his inner child alive, even while working as a remixer for Kool & the Gang, Kurtis Blow or Ennio Morricone. That `Pit Sounds` ends with a ludicrously re-arranged version of a piece by classical composer John Dowland works perfectly. As the album shows, the brilliant sound tailor Pit Baumgartner is now a classic himself.
Videos DE-PHAZZ
Video „Jazz with Boom“
(Veröffentlichung: März 2024)
Video „Silence Beyond“
(Veröffentlichung: März 2024)
Video „Entre le sol et le ciel“ (Veröffentlichung: Sept. 2022)
Videos PIT BAUMGARTNER
(Veröffentlichung: 22.07.2016)
Video zur Single „Minor To Major“ – „Ukulism 2“
(Veröffentlichung: 15.10.2019)
Video zur Single „Lady“ – „Strangers in Dub – Bert Kaempfert meets De-Phazz“ (Veröffentlichung: 24.01.2019)
Spotify
DE-PHAZZ „Pit Sounds“
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DE-PHAZZ „Jelly Banquet“
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PIT BAUMGARTNER „Sample Selfie“
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–Künstlerbetreuung/Management